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20.07.2023 | Klima | Nachrichten

Online-Umfrage aus Deutschland

Wissen schützt nicht vor Hitzeschäden

verfasst von: Thomas Müller

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Menschen in Deutschland informieren sich zwar gründlich über kommende Hitzewellen, auch wissen sie oft über Gesundheitsgefahren und Schutzmaßnahmen Bescheid, verzichten aber häufig auf einen Ventilator oder eine kalte Dusche.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

Der Klimawandel macht auch die Sommer in Deutschland heißer, das haben die vergangenen Jahre mit dem Super-Sommer 2018 und den nicht weniger trockenen und heißen Sommermonaten 2022 gezeigt. In solchen Sommern sterben in Deutschland aktuellen Berechnungen zufolge 8000–10.000 Menschen an der Folgen einer übermäßigen Hitzebelastung, und deren Zahl dürfte in den kommenden Jahren noch zunehmen, sofern keinen Gegenmaßnahmen ergriffen werden, etwa ein wirksamer Hitzeschutzplan. Ein solcher hat in Frankreich im Sommer 2022 wohl rund 15.000 Menschen das Leben gerettet (siehe Bericht).

Wie viele Menschen unter der Hitze leiden uns sterben, hängt natürlich auch vom individuellen Verhalten ab: Joggen bei 40 °C wird sicher niemand empfehlen, ebenso wenig anstrengende körperliche Arbeit im Freien. Über all das wissen Menschen in Deutschland gut Bescheid, halten sich aber nicht unbedingt daran. Darauf deutet eine Online-Umfrage am Bernhard-Nocht-Institut (BNI) für Tropenmedizin aus Hamburg. Es müssten daher bei Infokampagnen zum Hitzeschutz nicht nur Wissenslücken, sondern auch die Risikowahrnehmung adressiert werden, so das Fazit von Forschenden um Parichehr Shamsrizi vom BNI.

Die Umfrage fand Ende Juni 2022 direkt nach einer Hitzewelle statt, ausgewertet wurden rund 1000 Antworten von Personen, die bezogen auf Alter, Geschlecht und Wohnort für die Bevölkerung in Deutschland repräsentativ sind. Gefragt wurde zum einen, ob und womit sich die Menschen über anstehende Hitzewellen informieren, welche Gesundheitsgefahren drohen und wie diese zu erkennen sind, was gegen die Hitzebelastung hilft und welche Maßnahmen die Befragten bei starker Hitze selbst ergreifen. Für Wissensfragen standen vier Optionen mit einer richtigen Antwort zur Verfügung. Die wichtigsten Ergebnisse:

  • 91% gaben an, dass sie sich über bevorstehende Hitzewellen informieren, 55% über Apps, 36% aus den Nachrichten, 59% direkt beim Deutschen Wetterdienst (DWD).
  • Im Schnitt wurden 72% der Wissensfragen richtig beantwortet. Über 80% wussten über mögliche Gefahren wie Hitzschlag und Verhaltensmaßnahmen Bescheid, etwa Abdunkeln der Wohnung oder sich bei hilfsbedürftigen Menschen nach dem Befinden erkundigen. Nur 56% konnten Risikogruppen wie chronisch Kranke oder Menschen mit längerer Hitzeexposition klar erkennen. Lediglich 40% waren sich darüber im Klaren, dass chronisch Kranke Ärzte nach Dosisanpassungen von Medikamenten während der Hitze fragen sollten.
  • Über 80% gaben an, sich an heißen Wochenenden in den Schatten oder kühle Räume zurückzuziehen und Aktivitäten im Freien auf die Morgenstunden zu verlegen. Nur jeweils rund 40% schützen sich jedoch per Sonnenbrille oder Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor oder kühlen sich mit kaltem Wasser. 37% gaben an, sich nach anderen Menschen zu erkundigen, nur 34% benutzen einen Ventilator und 28% tragen im Freien eine Kopfbedeckung. Es gab jedoch keinen Zusammenhang zwischen ausgeprägtem Wissen zu Hitzeschutz und Hitzeschäden sowie protektiven Verhaltensweisen: Wer viel über das Thema weiß, schützt sich selbst nicht unbedingt besser. Männer legen dabei weit weniger Wert auf hitzemeidende Maßnahmen als Frauen.
  • Die meisten waren der Ansicht, dass sie im Laufe ihres Lebens einer großen Hitzebelastung ausgesetzt sein würden. Menschen, die eine starke Hitzebelastung fürchteten, waren im Schnitt älter, besser über anstehende Hitzewellen informiert und hatten zuvor stärker unter der Hitze gelitten als solche, für die Hitze kein relevantes Gesundheitsthema war. Auch nahmen solche Menschen Schutzmaßnahmen ernster.

Unter Strich, so Shamsrizi und Mitarbeitende, gebe es weniger ein Wissens- als eine Verhaltensdefizit. Hitze werde von vielen noch immer nicht als Bedrohung wahrgenommen. Um dies zu ändern, sei es wichtig, mit geeigneten Beispielen ein Risikobewusstsein zu schaffen, etwa in dem Menschen berichten, wie sie sich um ältere Personen kümmern, oder indem Medien mehr über Schutzmaßnahmen informieren, zum Beispiel Bewohner zeigen, die an heißen Tagen an kühlen Orten Zuflucht suchen. Letztlich müsste die auch die Politik mehr für den Hitzeschutz tun, etwa mehr Schatten in Städten und geeignete Zufluchtsräume für extrem heiße Tage schaffen.

Quelle: Springer Medizin

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Was wissen Menschen in Deutschland über die Gefahren durch Hitze und wie schützen sie sich davor?

Antwort: Die meisten kennen die Grundverhaltensregeln bei Hitze und informieren sich über anstehende Hitzewellen. Spezielle Maßnahmen wie Kühlen per Ventilator oder Wasser sowie ein guter Sonnenschutz werden aber häufig ausgelassen.

Bedeutung: Es gibt weniger ein Wissens- als ein Verhaltensdefizit.

Einschränkung: Online-Umfrage und Selbstauskünfte, Ergebnisse vermutlich nicht repräsentativ.

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